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Rad am Ring – als der Traum platzte

Welch eine Rückkehr für alle Radsportbegeisterten! Die grüne Hölle öffnete seine Tore und die Massen strömten aus allen Ländern aufs Gelände. Wer nicht früh da war durfte erstmal sich in eine mehrere hundert Meter lange Schlange mit seinem Auto stellen um einen Parkplatz zu ergattern. Organisatorisch wie eh und je bestens aufgestellt lief die Anmeldung zügig ab. Das Wetterradar zeigte für das gesamte Wochenende Sonne an. Ein kunterbuntes Treiben auf dem Gelände mit bester Stimmung an den Parzellen – der Nürburgring ist schon was Spezielles! Vorallem auch für mich. Ein schwerer, selektiver und dadurch ehrlicher Kurs wo nur der wirklich Stärkste gewinnt. Power, Abfahrtskünste, Gewicht, Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sind nur einige der Faktoren die es hier besonders zu beachten gibt.

3 Jahre ist es seit dem letzten Wettkampf hier nun Pandemie bedingt her. Und knapp 5 bis 6 Jahre bin ich schon hinter diesem wunderschönen Pokal her. Holzmedaille und immer TOP 7 waren in all den Jahren meine Platzierungen. Dieses Jahr sollte der Traum wahr werden. Ernährung, Training wurdem umgestellt. 6 Kilo runter, Vo2Max rauf, Poweroutput verschoben. Das Standgas spürbar die letzten Wochen. Es muss dieses Mal klappen. Bestzeiten/ Werte purzeln wöchentlich.

Aber wie man so schön sagt: „Ein Rennen ist ein Rennen“.

Wenn man an der Startlinie steht kann man sich am Nürburgring nie sicher seines Erfolgs sein, denn jedes Jahr ist die Überraschungskiste wer am Start steht groß. Mit Bernd Quitzow gesellte sich ein bekannter tempofester Fahrer zum Fahrerfeld. In den letzten Austragungen erfolgte immer ein Sprintstart verbunden mit einer gefährlich, stressigen Zickzack Fahrt durch die sich aufstauenden Fahrer des D Blockes (75KM Runde). Dieses Mal war es anders! Mit knapp 700 Watt war der Start verhalten und das Tempo gedrosselt. Durch die Grand Prix Strecke fuhr das Feld noch recht gebündelt bis kurz vor die Abfahrt. So was kannte ich bis dato nicht von diesem Rennen. Ich wollte aktiv sein, das Rennen bestimmen. Es schwer machen, mir „meinen“ Pokal verdienen. Knapp unter 300 Watt hielten wir uns die Abfahrt ansteuernd zusammen, als ich mich an die Spitze des Feldes begab – die Welle wollte ich langezogen für eine erste Selektion nutzen und drückte knapp 1 Minute ~ 400- 450 Watt im Schnitt. In der Abfahrt überlies man mir das Tempo. Ich achtete darauf unter der Schwellenleistung zu bleiben um mich für den anstrengenden Teil nicht müde zu fahren.

Die Wellen zwischen den Abfahrten nutze ich um submaximal die Ziehharmonika spielen zu lassen. Ein Blick nach hinten lies auf knapp 10 Mann schliessen. Ich fragte in die Runde wieso noch so viele übrig sind und erhielt ein Lachen als Antwort zurück.

2 Absetzversuche in den Abfahrten wurden geschlossen zugefahren und so began der Spaß in der Talsohle. Weiterhin wollte niemand das Tempo hochhalten, zumindest so hoch das sich eine Selektion ergeben würde. Ich nahm entwas raus um zu schauen, nach dem Motto: “ will hier jemand außer mir auch noch Rennen fahren“? Christian Schmitt aus Österreich setzte sich an die Spitze und schlug nun ein Tempo von 400 Watt an. Fiete Wittemeier am Hinterrad und Alle in Einerreihe hinten dran. Doch dann sprach Wittemeier es aus: “ das ist doch etwas zu heftig“ und lies reißen. Ich schaute ihn verdutzt an und musste mich entscheiden, ob ich erneut das Loch für Alle stopfe, oder was wahrscheinlicher aussah Schmitt seine Power verpulvert – denn der Oberkörper wackelte massiv unter dem Zug auf dem Lenker. So kontrollierten wir im guten Glauben das Geschehen und ich machte die Arbeit.

Über 10 Min leistete ich durchschnittlich 325 Watt!

Bis zur Hohen Acht sind mit mir noch 3 Fahrer übrig geblieben. Vorne fiel irgendwie nicht Schmitt seinem Tempodiktat zum Opfer. Wittemeier attackierte heftigst und niemand aus den verbliebenen Fahrern zuckte auch nur bei dieser Tempoverschärfung. Da hatte jemand alles unter Kontrolle! Podium, 3. Platz = Pokal ist noch drin sagte ich mir und zog weiter bei hohem Tempo die Selektion anstrebend die 2 Verbliebenden mit mir. Parallel an der Kuppe der hohen Acht zu Dritt fahrend. Hendrik Kaufmann mit einer kleinen Lücke zu Lukas Fielenbach, ich folge direkt dahinter. Und erneut schliesst der Fahrer nicht die Lücke für die anstehende Abfahrt. Nun sehe ich den Pokal in Gefahr und muss erneut die Führung übernehmen. Fielenbach nur im Windschatten redet mir zu das ich eine „Maschine“ sei, geht aber nicht in die Führung. 300 Watt plus dauerhaft hinterher jagend überhole ich locker über 100 Fahrer – aber Kaufmann ist weg! Er hat den Moment für sich genutzt und mir bleibt maximal noch die Holzmedaille. Letzte Rampe vor der Zielgeraden und ich setze meine letzte Attacke. 600-700 Watt – 15 Sekunden, mehr ist nicht drin. Peng der Motor hat genug!

Fielenbach überholt und distanziert mich 5. Platz. Ich bringe es mit hängendem Kopf hinter mich. Holgers (Streckensprecher) Lautsprecher Durchsage kann meine Stimmung nicht aufheitern. Es hat wieder nicht geklappt. Mit fast 40 Watt mehr als beim letzten Rennen am Nürburgring hat es wieder nicht gereicht! 315 Watt normalized power haben nicht gereicht. Bei der Bierausgabe verzichtete ich auf meins und gab es meinem Schwiegerpapa. Kaufmann und Fielenbach lobten mich über den grünen Klee, erzählten das sie ohne mich dies NIE geschafft hätten und es ihr allererstes Rennen überhaupt war! Umso mehr verstummte ich. Umso mehr wuchs die Trauer in mir. Fast 6 Jahre fahre ich hinterher. Frust und Resignation machen sich breit in diesem Moment. Aus wirrem Trotz entlud sich der Satz: “ Vielleicht ist es Zeit mit dem Radfahren aufzuhören!“ Ich drehte mich um und fuhr davon.

So viel Zuspruch von Trainingskollegen, Freunden im Vorfeld. So viel Zeit die geopfert auf Kosten der Familie. Dieser Pokal oder dieses 25 Km Kirmesrennen würden manche behaupten ist es nicht wert. Aber doch, für mich hat es eine enorme Bedeutung. Für mich ist dieses Rennen auf diesem Kurs meine sportliche Erfüllung. Ein Radsport Mekka für Jeden. Ein Teil zum Glücklichsein, ein Teil mich ewig zu erinnern an einen großen Menschen – meine Oma. An jene die immer an mich geglaubt hatte und mir gut zusprach, tröstete und half und einfach nur zuhörte, mich rettete. Mit aller Macht wollte ich diesen Pokal fair mir verdienen. Vor der Altersklassen Siegerehrung kam nochmals Holger Kremers vorbei und beglückwünschte mich und Bernd Quitzow. Aber er sah in meiner Reaktion das keine Freude in meinen Augen lag. Als ich mein Rad am Auto auseinander schraubte konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Verschwommen sehend entfernte ich die Laufräder. Meine Frau versuchte mich zu trösten. Mein Sohn stand still dabei und hatte den eigenen Papa noch nie so gesehen. Auch beim Schreiben dieser Zeile habe ich einen dicken Kloß im Hals. Der Todestag war der 24.7. in der Pandemie fiel das Rennen auf das Datum. Dieses Jahr wollte ich es nachholen, für sie, weil ich in ihren Augen alles schaffen konnte.

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